Wenn der digitale Schönheitsfilter streikt

„Chinesische Bloggerin lockt mit jugendlichem Aussehen – dann setzt der Filter aus.“meldet die Presse und man fragt sich, welches Volk durch jugendliches Aussehen angelockt werden soll bzw. kann. Schönheit für Deppen  Aber das fragt man sich nur kurz, dann bricht sich der Hauptgedanke Bahn: Offenbar gibt es in der Bildschirmwelt – was heisst da Bildschirmwelt, im Leben an sich! – Algorithmen, die im Gegensatz zum Badezimmerspiegel die Realität benutzerfreundlich gestalten, so, wie es in einer richtigen Beziehung vom Partner erwartet wird. Der Rechner rechnet seinen Benutzer schöner, als er in Wirklichkeit ist und präsentiert dann das Rechenergebnis dem Betrachter. Wobei Benutzer und Betrachter hier wie dort dieselbe Person sein kann. Diese könnte nun einfach das Ergebnis zurückrechnen, aber das macht doch keiner. Da wäre man ja schön blöd und selber schuld.
Bei der chinesischen Bloggerin hat der Filter plötzlich versagt, wahrscheinlich überlastet, burnout. Daraufhin erschien die Dame ihrer Bildschirm-Öffentlichkeit so, wie dem eigenen Badezimmerspiegel. Wenns nur das gewesen wäre, schlimm genug, aber auch das Zimmer hinter ihr sah plötzlich viel älter aus, die Möbel kackhässlich und wie vom Sperrmüll oder Ikea.
Das Tatoo, ein kleiner Engel zwischen Kinn und Schlüsselbein, entpuppte sich als fetter Drachen vom Hals bis zum Nabel. Sogar das, was sie sagte, klang wie altbackener Sermon aus dem letzten Jahrhundert.
Die Community fiel in krampfhaftes Bildschirmrubbeln und musste in ein künstliches Koma gefiltert werden. Was heisst da künstlich.