Sennentuntschi erwischt

Der Neue Deutsche Welle Gruppe Kiz gelang es, in ihrer kurzen Existenz 1982 einen Hit zu landen, der – wohl unwissentlich – die alte Schweizer Geschichte vom Sennentuntschi hervorragend bildlich übersetzt. Der Hit heisst „Sennerin vom Königsee“, die Tänzerin gehorcht wie eine für wenige Takte lebendig gewordene Marionette dem Kommando ihres Meisters. Hervorragende Moves. Und wie die Boys von der Musik fast schon ängstlich zusammenrücken, wenn die Koboldin so richtig loslegt.

Sennerin vom Königsee

Deutung: Etwaige Sexismusvermuter liegen weit daneben. Hier geht es um die mechanischen, roboterhaften Bewegungen, womit die Tänzerin das Koboldhafte darstellt. Das Sennentuntschi ist eine Puppe, die als Kobold zu mörderischem Leben erwacht, Freud lässt grüssen. Das Unheimliche und Bedrohliche wird im Song durch das Gliederpuppenhafte gezeigt, das Marionettenartige. Der Kobold wäre so gern lebendig und zelebriert doch bloss ein Pseudoleben für ein paar Takte, bis er wieder einrastet, frei nach: „Besen, Besen, seis gewesen!“ Etwas Totes, welches Lebendigsein imitiert, entspricht der Zombithematik – einem Zwischenzustand zwischen tot sein und lebendig, hochaktuell, wenn man jetzt überall diese Meinungszombies sieht, zb. jene beim Sturm aufs Capitol. „Etwas Totes, welches Lebendigsein imitiert“ ist meine Kurzdefinition für „Virus“. Übrigens hervorragend gelöst von Alex Garland im Film „Auslöschung“ bei netflix.