Jo Nesbö: Inklusion als Leistung des Lesers

Weil der Lese-Markt nichts hergibt ausser Schrott, liest man die alten Bücher wieder, wie Jo Nesbö, Headhunter. Man staunt aufs Neue, wie trotz der unglaublichen Logikfehler von Nesbö die Geschichte spannend und unterhaltsam bleibt. Ist das schon Inklusion? Man verzeiht krasse Fehlleistungen und schaut, wohin die Geschichte wirklich will? Ja, das ist Inklusion. Literarische Inklusion: der Leser verzeiht einem Autor der zwar mental besonders begabt sein muss, aber überbordend herumflunkern kann, seine Denkfehler, die er offenbar selber nicht bemerkt. Man liest einfach drüber weg, sucht und findet das Ergebnis. Man drückt ob der krausen Flunkerei eines hyperaktiven Geistes einfach ein Auge zu, mit dem anderen liest man weiter und es macht sogar Spass. Kann also Inklusion gelingen? So schon. Denn das Ergebnis zählt. Auch wenn es unmöglich ist. 

(Jo Nesbö, Headhunter, 6. Auflage, Ullstein 2010)

Hier die Belege:

S. 158…Ich fuhr das Auto rückwärts in die Scheune und hätte die Reifen im Dunkeln beinahe an den scharfen Stahlspitzen eines Siloblockschneiders aufgeschlitzt. Zum Glück war er an der Rückseite von Sindra Aas blauem Massey-Ferguson-Traktor befestigt und etwas angehoben, so dass er, statt gleich die Reifen zu durchbohren, über den Kofferraumdeckel kratzte und mich noch rechtzeitig warnte, bevor die Spitzen die Heckscheibe durchbohrten. 

Wenn die Spitzen auf Höhe der Heckscheibe sind, wo sieht da Nesbö die Reifen?

S153…Eine Uzi. Eine Maschinenpistole, klein und handlich, hässlich und tödlich effektiv, mit der man keine Späße machte. Und diese Waffe war auf mich gerichtet. …Er drückte ab. Es hörte sich an wie Popcorn in einem Topf…Dann spürte ich etwas an meinem Bauch und blickte nach unten. Sah den Blutstrahl, der aus meinem Körper spritzte und die Milchpackung traf, die ich in der Hand hielt. Weißes Blut? Erst da kapierte ich, dass es umgekehrt war: die Kugel hatte nicht mich, sondern die Milch getroffen. Automatisch und irgendwie resigniert hob ich die Pistole und drückte ab. Das Knallen klang auf jeden Fall potenter als das blöde Ploppen der Uzi und ließ die israelische Schwulenwaffe schlagartig verstummen.

Den Milchbeutel konnte die Kugel noch durchdringen, und dann? Fiel sie vor seinem Bauch zu Boden? Matt und kraftlos? Milch macht müde Kugeln munter – oder hat die Werbung gelogen? Uzi, in dem Fall wohl Mikro Uzi mit Schalldämpfer: 30 Schuss pro Sekunde. Aber ohne richtiges Loch – nennt Nesbö sie deshalb israelische Schwulenwaffe?

S166…Ich blinzelte und blinzelte und starrte direkt auf Clas Greves weißen, behaarten After. Und davor zeichnete sich ein solider, ja mehr als solider, ein wahrhaft imposanter Schwanz ab. …

Der Autor hockt tief im Fäkalienbehälter, versteckt vor dem Killer, der jetzt über ihm auf dem primitiven Klo sitzt. Vorher wars eh schon dunkel, trotzdem kann er die geschlechtlichen Details beschreiben. Und wie genau! Hat er da elektrisches Licht im Gärkessel? 

Egal. Die Story ist mitreissend. Und auch der Film: Alle Darsteller und Handlung: wirklich super, ganz ohne Witz. Inklusion kann funktionieren. Oder?